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Stadtwerke befürchten Rechnungs-Chaos

Die Sorgen nach Ausbruch des Ukraine-Krieges haben sich für die Strom- und Gaskunden bislang nicht bewahrheitet. Trotzdem mahnt Jörg Kogelheide zur Vorsicht. Warum er erneut mit Problemen rechnet.

Stadtwerke befürchten Rechnungs-Chaos

Die Stadtwerke Versmold stehen vor der Mammutaufgabe Netzausbau. Und wollen ihre Immobilie an der Nordfeldstraße ebenfalls vergrößern. Foto: Copyright Stadtwerke Versmold

Versmold. Jörg Kogelheide empfängt gut gelaunt und sichtlich gespannt zum Gespräch in seinem Büro an der Nordfeldstraße. Weil er gerne über den Energiemarkt diskutiert. Weil er auf Widerspruch und eine Diskussion hofft. Und dann kein Blatt vor den Mund nimmt. Was also kommt auf die Energiekunden in den kommenden Monaten und Jahren zu?

Bilanz des Winters

Um das umfassend zu analysieren, lohnt vielleicht ein Blick zurück auf den vergangenen Winter. Da war nach Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem Verzicht auf russische Gaslieferungen eine Preisexplosion bei Gas und auch bei Strom befürchtet worden. Preisbremsen wurden installiert. Die griffen bei Strom und Gas für die Stadtwerke-Kunden laut Kogelheide insgesamt sechs Monate – schon ab Mai seien die Preise wieder gesunken. „Letztlich haben wir mehr Glück als Verstand gehabt“, sagt Jörg Kogelheide rückblickend. „Der Winter war mild, es ist mehr Gas aus Norwegen und über Flüssiggasterminals geliefert worden.“ Parallel sei die Krise dazu genutzt worden, sich über Energiespeicher Gedanken zu machen. „Wir sind bisher gut durch die Lage durchgekommen“, bilanziert Kogelheide.

Preise doppelt so hoch

Um fast im gleichen Atemzug aber zu betonen: „Die Kunden sollten weiterhin Energie sparen. Denn wir sind beim Preisniveau für Energie immer noch doppelt so hoch wie vor dem Ausbruch des Krieges.“ Daran ändere auch die grundsätzlich gute Nachricht für die Stadtwerke-Kunden nichts, „dass wir die Preise für Strom und Gas im Januar noch einmal werden senken können“.

Abrechnungen schwierig

Kritisch blickt Jörg Kogelheide auf das unsichere Umfeld, in dem der heimische Versorger derzeit kalkulieren muss: „Aktuell gibt es einen Streit um den CO2-Preis. Im Dezember wird entschieden, ob er ab Januar von 30 auf 40 Euro je Tonne angehoben wird. Das macht unsere Beschaffung ganz kurzfristig teuer – und das wiederum spüren irgendwann die Verbraucher.“ Ähnlich sehe es bei der Debatte um die Mehrwertsteuer aus. Auch hier wird erst im Dezember entschieden, ob sie wieder von sieben auf 19 Prozent angehoben wird. „Wir brauchen da jetzt eine schnelle Entscheidung“, fordert Kogelheide. „Sonst sind Chaos bei den Abrechnungen und Frust bei den Kunden programmiert.“ Viel Bürokratie führe zu Verzögerungen und Fehlern und bedeute letztlich Stress für die Stadtwerke und ihre Kunden.

Netz ist Mammutaufgabe

Doch Kogelheide wird noch grundsätzlicher, übt Kritik an der Umsetzung der viel diskutierten Energiewende: „Wir bauen aktuell eine extrem teure Energieversorgung auf. Das günstige leitungsgebundene Gas aus Russland war eine Basis unseres Wohlstands. Jetzt werden zum Beispiel PV-Anlagen massiv gefördert – aber unsere derzeitigen Netze machen das nicht mehr mit.“ Ein Ausbau sei nötig, „der eigentlich ein Neubau ist“, so der Stadtwerke-Chef. Aber da alle Versorger aktuell vor dieser Aufgabe stünden, fehle es an Personal und Material.

Speisen alle ein, wird’s eng

„Stellen Sie sich eine Straße vor, in der plötzlich alle PV-Anlagen auf dem Dach haben und bei Mittagssonne und wenig Nutzung gleichzeitig einspeisen. Dann kommt es zur Überspannung. Wir müssen das Netz also überall prüfen und ertüchtigen. Das aber wird extrem teuer“, schildert Kogelheide. Womöglich brauche man dafür Co-Investoren. Der 59-Jährige fragt, ob es richtig sei, beim Heizen, der Elektrizität und der Mobilität überall auf Strom zu setzen. „Wie soll unsere Industrie bei diesen hohen Kosten wettbewerbsfähig bleiben?“

Investition in Technologie

Der Stadtwerke-Chef fordert darum einen maßvolleren Wandel und parallel die Investition in neue Technologien – „mit denen wir dann vorangehen können“. Und was Projekte der Energiewende angehe, unternähmen auch die Stadtwerke Versmold einiges: „Wir würden gern eine PV-Freiflächen-Anlage auf der landwirtschaftlichen Fläche am Wiedenfeld realisieren.“ Aber auch hier gebe es Widerstand. Und die Möglichkeiten für Windkraft seien begrenzt. „Allenfalls im Grenzbereich zu Harsewinkel – aber der Bereich ist aktuell wieder raus aus dem Landesentwicklungsplan.“

Energieparks sind effizient

Vor diesem Hintergrund mache es Sinn, mit großen Stadtwerkeverbünden in Wind- und Solarparks zu investieren. „Weil von dort gebündelt ins Hochspannungsnetz eingespeist werden kann – das ist effizient“, erklärt Kogelheide. Und schiebt nach, warum er auch sein Gasnetz nicht abschreibt, obwohl das laut Wirtschaftsminister Robert Habeck doch 2045 obsolet sein müsse. „Vielleicht ist es ja irgendwann mit Wasserstoff befüllbar.“

Kühlhäuser liefern Wärme

Das klingt aber leider weiterhin nach Zukunftsmusik und Taube auf dem Dach, weshalb Jörg Kogelheide und sein Team ständig auf der Suche nach dem Spatz in der Hand sind. So wie bei der Wärmeplanung. Die Prozesswärme von Brüninghaus zu nutzen, um das Schul- und Sportzentrum sowie die Kulturbühne zu beheizen, war Glücksfall und intelligente Chancennutzung zugleich. Und Kogelheide sieht weiteres Potenzial in der Stadt: „Denken Sie allein an die vielen Kühlhäuser, die Abwärme erzeugen. Aber es geht darum, hier verlässliche Partner zu finden.“

Anbau geplant

Parallel beschäftigt sich der Mann, der nun schon seit 18 Jahren an der Spitze der Stadtwerke (80 Millionen Euro Jahresumsatz) steht, mit vor diesem Hintergrund profanen Projekten. Der an die räumlichen Grenzen stoßende Versorger plant einen Anbau, um zwölf neue Arbeitsplätze zu schaffen. Der Bauantrag ist bereits genehmigt, 2024 oder 2025 wird das etwa eine Million Euro teure Vorhaben umgesetzt. Damit die Stadtwerke genug Kraft haben für die Mammutprojekte der Energiewende.

Haller Kreisblatt vom 11.11.2023

Autor: Marc Uthmann. Texte aus dem Haller Kreisblatt sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

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